Samstag, 20. Februar 2010

Hände hoch - Das ist ein Überfall

Heute hatte sie die Tür aufgemacht. Nach gut 3 Wochen nahm sie wieder Kontakt auf zu dem Raum, den er mit seiner Gegenwart zerstört hatte. Sie blieb draußen, saß stattdessen im Nebenraum auf ihrem Bett, die offene Tür im Blick. Ihre Hündin war mutiger, schwanzwedelnd lief sie hinein. Sie konnte nicht sehen, was sie tat, vermutete aber, dass sie herumschnüffelte und den Geruch von ihm und seiner Hündin aufnehmen würde. Die Begegnung der Hunde war problemlos gewesen.

"Hast du zugenommen?"

Sie hatte von ihren Nachbarn einen kleinen Alpenveilchentopf geschenkt bekommen, zum Valentinstag. Sie hatte auch kleine Geschenke für ihre Freunde, Familie und Nachbarn gepackt. Tag der Verliebten, dazu hatte es bisher nicht gereicht. Sie hatte gedacht, dass es dieses Jahr klappen könnte. Sie waren beide in Beziehungen etwas kompliziert.

"Der Hof ist ja eine einzige Baustelle."

Sie stellte die Blumen aufs Fensterbrett, vorsichtig, sah sich um und ging wieder hinaus, die Tür ließ sie offen. Vielleicht sollte sie doch die Heizung wieder andrehen und sehen was passiert. Er hatte das Kissen auf der Heizung vergessen und einen Schwelbrand verursacht. Der Gestank war auch nach tagelangem ununterbrochenem Lüften noch nicht ganz weg, hing wie eine Mahnung in der Luft, sprang einen an, sobald man den Raum betrat.

"Also hier muss erstmal gründlich renoviert werden."

Sie hatte alles gewaschen, den Sofaüberzug, das Bettzeug, die Steppdecke. In den ersten Tagen war sie nur reingegangen, um das Fenster morgens aufzumachen und kurz vor dem Schlafengehen wieder zu schließen. Jedesmal war ihr der penetrante Gestank entgegengeschlagen. Sie hatte das Gefühl, gar nicht da zu sein, wie ein Geist irrte sie umher und versuchte sich wiederzufinden.

"Dein Kleidungsstil ist noch schlimmer geworden."

Sie hatte ihm ein Willkommensschild gemalt und ein kleines Büchlein dazugelegt. Sie hatte überlegt, wo sie hinfahren könnten, was sie ihm zeigen wollte. Anschließend hätte man zusammen in eine kleine Gaststube essen gehen können. Die Gegend war wunderschön, weite Ebenen, freier Blick, unverbaute Natur, Ruhe, Frieden. Hier konnte man aufatmen, der Geist hatte Raum sich auszudehnen, nachts eine unglaubliche Stille, sie war zuhause.

"Du hast gar nichts Weibliches an dir."

Sie hatte sich auf diesen Besuch gefreut. Sie wollte ihm zeigen, was sie hier aufgebaut hatte: den Hof, die Tiere, die kleine Landwirtschaft, den Garten, die Weiden. Sie wollte dieses Glück mit ihm teilen, dieses Wunder, dieses Endlich-Angekommensein, das jeden Tag zu etwas Besonderem machte. Jeder Tag ein Geschenk, das sie staunend annahm in fast kindlicher Freude. Und sie wollte erzählen von den Plänen, die sie noch hatte, den vielen Ideen, die sie Stück für Stück umsetzen würde.

"Du bist noch kühler und distanzierter als früher, ich spüre nur Kälte von dir ausgehen."

Das hier war ihr Glück und das würde sie sich von ihm nicht zerstören lassen. Er kam hier an, ließ an nichts und niemandem ein gutes Haar, trat auf wie nach der Wende die Wessi-Bosse, die marode Ost-Betriebe übernahmen und nur klugscheißen konnten. Sie hatte nur nicht damit gerechnet, dass sie kämpfen sollte und sie wollte auch nicht. Er verpestete mit seiner Krittelei und seiner Negativität die ganze Umgebung und erwartete dann, dass sie sich freuen und liebevoll sein sollte?

"Du hast ein Problem Nähe zuzulassen."

Ihre Hündin war nach wenigen Minuten herumstöbern zurück zu ihr gekommen. Sie hatten sich gemütlich in eine Decke gekuschelt. Schon kurz darauf schlief sie friedlich an ihrer Seite, ihr gleichmäßiger Atem verbreitete Ruhe, Sicherheit. Sie würde das Zimmer wieder bewohnen, wie vorher. Sie würde vermutlich eine ganze Weile brauchen, um ihre verstreuten Einzelteile zusammenzusammeln und sich wieder anwesend zu fühlen, aber sie würde es schaffen.

"Du hast einen schönen Körper."

Er wollte mit ihr schlafen, zärtlich sein, sie in den Arm nehmen, küssen, eine Frau aus ihr machen, ihr Lehrer, ihr Retter sein und musste nun feststellen, dass sie das weder wollte noch brauchte. Sie stand da, gerade, fest, ruhig und ausgeglichen. Die Erkenntnis kam schlagartig und in der ersten Minute ihrer Wiederbegegnung: Das ist eine starke Frau, und ich bin ihr nicht gewachsen. Er tat, was er immer in solchen Fällen tat, er kämpfte, schlug um sich, zerstörte - auch ihre Freundschaft.

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