Montag, 20. Juni 2011

Gedanken
beim Essen zubereiten

Ein Freund, der im Sommer heiratet, Schmach einer kurzen Begegnung, nagend, Zweifel, nie gut genug gewesen, so sehr ich mich auch anstrenge, zu stolz, den Kopf einzuziehen und seinem selbstverständlich vorausgesetzten Führungsanspruch zu folgen.

Die welken Triebe der Lauchzwiebeln abzupfen, die Zwiebeln und die grünen Schäfte in kleine Ringe schneiden.

Ein großer Mann, der seiner Enttäuschung und Wut freien Lauf lässt, 800 km ist er zu ihr gefahren, um nun festzustellen, dass sie in einer Bruchbude lebt, den Haushalt nicht im Griff hat, noch zurückhaltender und unnahbarer geworden ist, noch weniger seinen Vorstellungen von einer Frau entspricht als früher und ihn auch noch kalt abblitzen lässt, als sie merkt, dass er Haus, sie und Zukunft schon längst komplett umgestaltet und neu geplant hat, ätzende Selbstherrlichkeit.

Mich in den Zug setzen, zu ihm gehen, ihm ein Messer in die Brust rammen, sehen wie seine Augen vor Überraschung groß werden, letztes Luftschnappen, auf den Boden fallen, dastehen, lächeln.

Paprika halbieren, Strunk und Kerne entfernen, in Streifen und kleine Würfel schneiden.

Bemühen um Transparenz, Leistung bringen wollen, die keiner braucht, Beschämung, Demütigung, ausgebremst werden, was ich gebe reicht nicht, wie sehr ich mich auch anstrenge.

Karotten Strunk und Wurzelende entfernen, zweimal längs halbieren und in kleine Würfel schneiden.

Worte finden und klar sagen, was mir nicht passt, stolz und selbstbewußt auftreten, Dauernörglern und Ausbremsern mit einem Lächeln ein Glas Wasser in den Schritt kippen, weggehen und sie in ihrem negativen Sumpf versauern lassen.

Eine Arbeitsgruppe in angeregter Diskussion. Die Vorarbeiten liegen auf dem Tisch, sollen laut Plan zu einem Endergebnis ausgestaltet werden, doch Zauderer und Panikmacher führen das große Wort, fegen die Arbeit der letzten Tage in Bausch und Bogen vom Tisch, stellen grundsätzlich das ganze Vorgehen in Frage, ohne auch nur ansatzweise eine Alternative oder einen besseren Entwurf zu bieten.

Aufbauen, Planen, Ideen entwickeln und dann eine Stecknadel, die sie wie Luftballons zerplatzen lässt, nichts bleibt, auch das Ich zerfetzt, nur noch leere Hülle, Enttäuschung.

Salatstrunk rausschneiden, Salatkopf in Streifen und kleine Schnitzel schneiden.

Liebe, die sich sinnlos verpulvert, die beschämt und zynisch werden lässt, Zweifel, das kann doch keine Liebe sein, sie erdrückt und engt ein, sie will erzwingen, was nur ein Geschenk sein darf.

Eine halbe Dose Mais zugeben, Essig, Öl, Salatgewürz, etwas Wasser.

Eine Frau, die sich unsichtbar machen will, während sie neben ihm im Auto sitzt, die seinen Zärtlichkeiten so gut es geht auszuweichen versucht, fröhlich erzählt und vor sich hin plappert, um ja kein Schweigen entstehen zu lassen, dass er missverstehen könnte, ihn mit den Augen um Verständnis bittet, kindlich-naiv jede seiner Andeutungen überhört und beiseite schiebt, unverfängliche Themen wählt, da sie weiß, dass sie ohnehin nur Ersatz ist für etwas, was er derzeit in seiner Ehe nicht finden kann, er flüchtet, statt es bei seiner Frau zu suchen.

Ihm sagen, wie lächerlich er sich macht, ihn anschreien, ihm kräftig in die Eier treten, seiner Frau und seinen erwachsenen Kindern davon erzählen, den Freunden und Nachbarn, ihn lächerlich machen, ihn heiß machen und dann lachend davongehen.

Wasser in einen Topf füllen, zum Kochen bringen.

Zuneigung, die unausgesprochen bleibt, versteckt im Verborgenen, Augen, die kontrolliert werden müssen, um ihn zu schützen, Kampf gegen mich selbst, weil ich weiß, was es heißt, wenn Liebe zu nahe kommt.

Nudeln einfüllen und auf halb stellen, warten.

Ein Mann und eine Frau im Wagen, sie sind ungefähr gleich alt, sie lachen, weil sie gerade völlig aneinander vorbeigeredet haben, alles ist leicht und unkompliziert, sie fahren zur Arbeit, sie können gut zusammenarbeiten, sie genießen es, die Arbeit geht leicht von der Hand, sie lachen und sind vergnügt, es ist so unkompliziert, oberflächlich betrachtet.

Konventionen übertreten, sich keine Gedanken machen, ihn umarmen, Zuneigung zeigen, eigene Gefühle anerkennen, ihn lieben, ohne Rücksicht auf die Zukunft, sich fallenlassen, das Zusammensein genießen, keine Beschränkungen.

Auf der Suche, immer noch nicht angekommen, obwohl ich es eine zeitlang glaubte, wieder Rast- und Ruhelosigkeit, Angst, dass es immer so weitergeht, Angst davor, nie zu finden, was ich suche, weil ich nicht weiß.

Zwiebeln, Karotten und Paprika in eine Pfanne geben.

Alles hinschmeißen und sich in Luft auflösen, Lebensuhr anhalten oder für immer stoppen, unendlich alt sein oder sich so fühlen, Leben in der Lebensmitte bereits verbraucht, an beiden Enden gebrannt und jetzt fertig.

Öl und Gewürze dazu, kurz anbraten.

Aufbrechen, wenn mir danach ist, sorglos neue Wege gehen, warten, was auf mich zukommt, ohne Angst, ohne Schuldgefühle, offen sein, frei von Zwängen, Erwartungen anderer, das Leben wählen statt den Tod, bejahen statt verneinen, jeden Schritt annehmen, egal wohin er führt, glauben an einen inneren Kompass, der weiß, wo es langgeht.

Mit Wasser ablöschen, auf halb stellen, warten.

Fliegen ohne Flügel, Denken ohne Gedanken, Abbrechen ohne Tod, und jedesmal wieder den Stein hinaufrollen, und nicht mal in dieser Phase darauf hoffen, dass es anders werden könnte, den Stein stemmen und wissen, er rollt abwärts, egal wie sehr ich mich auch anstrenge.

Nudeln abschütten und auf einen Teller geben, Gemüsesauce dazu, den warmen Duft einatmen, essen.

Sich geborgen fühlen in der Welt, wie ein Vogel, der weiß, dass er fliegen kann und einfach fliegt.

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