Donnerstag, 8. Juli 2010

Liebe? Was ist das?

Er lacht, steht einfach da und lacht, seine wässrig-blauen Augen, der große Junge, dem man sein Alter definitiv nicht ansieht. "Komm, ich zeigs dir."

ich möchte ihn umarmen, seinen Körper an meinem spüren, mich geborgen fühlen, nie mehr loslassen, ihm vertrauen, anerkannt werden, erfahren, dass ich eine Frau sein kann, ohne mein Menschsein aufgeben zu müssen.

er ist verheiratet, er lebt und arbeitet nach völlig anderen Grundsätzen als du, die du teilweise ablehnst, zumindest jedoch nicht ohne schlechtes Gewissen akzeptieren kannst. Wie stellst du dir das Zusammenleben mit einem derart verschiedenen Menschen vor?

Ich lerne ihn erst kurz vor seiner Hochzeit kennen, ihn und seine Frau, ein gutes Paar. Sie kennen sich schon seit der Kindheit, sind quasi zusammen aufgewachsen, sind sich vertraut, passen zueinander, ideale Voraussetzungen für ein gemeinsames Leben.

ich fühle eine Zärtlichkeit in mir, wenn ich mit ihm zusammen bin, in mir wird etwas ganz weich, was normalerweise darauf trainiert worden ist hart zu sein, hart gegen mich selbst, hart Gefühlen und momentanen Stimmungen gegenüber.

er hat sich doch bereits entschieden, er ist treu und anständig, willst du etwa, dass er seine Frau deinetwegen verlässt und traurig macht, willst du dein Glück auf Kosten anderer errichten? Was ist mit deiner Loyalität?

Er ist betrunken, ist mit seinen ebenfalls betrunkenen Freunden unterwegs zum nächsten Schnaps und erkennt mich erst im letzten Augenblick, bleibt stehen, steht da mit diesem entwaffnend offenen Gesicht, ein junger Welpe, der gestreichelt sein möchte.

ich bin ein junges, neugieriges Mädchen im Körper einer alten Frau, gefesselt, gefangen, unmöglich die Hand auszustrecken und seinen Arm zu berühren, der zarte helle Flaum, goldbraune Haut, ich darf es mir nur vorstellen.

er wird morgen heiraten, du weißt fast nichts von ihm, du bist neu hier und fremd, willst du dich lächerlich machen, willst du es dir gleich zu Beginn mit allen hier verderben, willst du sofort wieder zum Außenseiter, zur Verrückten werden?

Ich bin allein, in mir ist eine große Sehnsucht nach Zusammensein, Zärtlichkeit und Zuneigung. Ich lasse meine Träume und Wunschbilder aufsteigen wie Seifenblasen und weiß, dass sie zerplatzen werden, keine Zukunft haben.

ich habe keine Ahnung von der Liebe, ich weiß nicht, wie man sich einem Menschen nähert und diese ganz spezielle Bindung aufbaut, ich habe Menschen, die mir zu nahe kamen weggestoßen und bin ebenfalls nur weggestoßen worden, wenn ich mich näherte, Liebe scheint Betrug zu sein.

er hat eine andere Art, Verbindung herzustellen, er spricht auf gleicher Höhe mit mir, er hat nicht dieses Raubtierglitzern, bei dem ich schon weiß, dass ich nur noch eine Vagina auf Beinen für ihn bin, er hat mich als Ganzes gesehen.

Ich mache die Tür auf, verschlafen und verwirrt von seltsamen Gedanken und Ideen. "Weißt du, wie man einen Menschen liebt?"